Baugeräte statt Blauhelme

Von Redaktion · · 2015/06

Die Vereinten Nationen und Europa haben in der DR Kongo versagt. Die Menschen im Land brauchen Infrastruktur und Perspektiven. Ein Kommentar von Chrispin Mvano.

Seit 20 Jahren herrscht Krieg in meinem Land – und es ist kein Ende in Sicht. Dabei investiert die UNO jährlich 1,5 Milliarden US-Dollar in ihre Friedensmission MONUSCO. Es ist die teuerste und aufwändigste UN-Mission weltweit, ausgestattet mit rund 20.000 Blauhelmen. Und was hat es gebracht? Wir Kongolesinnen und Kongolesen haben oft das Gefühl, die UNO ist nur hier, um ihre Leute mit Jobs zu versorgen. Wir dagegen bleiben arbeitslos.

Die UNO hat Verschiedenes versucht, um in meinem Land Frieden zu schaffen. Viele Strategien wurden entwickelt, die meisten von ihnen scheiterten.

Beispiel Mineralien und die Einführung von Zertifizierungen: Eigentlich könnte die lokale Bevölkerung davon profitieren. International wurden unsere Erze dann aber verteufelt und boykottiert, weil sie Milizen finanzieren. Ja, das stimmt auch, zumindest teilweise. Aber warum entscheidet man sich, komplizierte Zertifikate einzuführen, die nicht funktionieren, anstatt die Milizen zu zerschlagen? 

„Grüne“ Mine Rubaya. Die Mine Rubaya in Nord-Kivu etwa wurde als „grüne“ Mine deklariert, aus der exportiert werden darf. In Wirklichkeit kontrolliert eine Miliz die Mine. Die Kämpfer haben sich Polizei-Uniformen besorgt und geben vor, für Recht und Ordnung zu sorgen. Dabei produziert die Mine „Blutmineralien“, allerdings jetzt eben mit internationalem Gütesiegel.

Seit 2013 darf die UN-Mission aktiv Rebellen bekämpfen – das Resultat der gescheiterten Konzepte der Vergangenheit. Doch es beherrschen immer noch rund 50 Milizen den Dschungel. Tagtäglich herrscht Unsicherheit. Es gibt Schießereien, Entführungen, wir können nach Einbruch der Dunkelheit nicht auf die Straße gehen.

Der Kongolese Chrispin Mvano (36) ist seit über zehn Jahren freier Journalist und Beobachter im Ostkongo.

Die MONUSCO-Truppensteller sind vor allem Tansania und Südafrika, die ihre Soldaten aus eigenen politischen und wirtschaftlichen Interessen entsandt haben. Südafrika hat in Minen und Ölkonzessionen investiert, Tansania will Zugang zu Ressourcen.

Die UNO unterstützt die Polizei und Armee in der DR Kongo, vor allem logistisch. Doch je mehr Kapazitäten sie zur Verfügung haben, desto korrupter werden sie. Muss das Benzin für Truppentransporte nicht aus dem nationalen Verteidigungshaushalt bezahlt werden, können sich die Generäle an der Spitze mehr in ihre eigenen Taschen stecken.

Viele meiner Landsleute bevorzugen Milizen als Herrscher über ihre Dörfer, vor allem die ihrer eigenen Ethnien, weil sie die Interessen ihrer Gruppe vertreten und auch gegenüber dem Staat verteidigen. Von Schutz durch den Staat kann keine Rede sein!

Wahlen als Farce. Präsident Joseph Kabila strebt eine dritte Amtszeit an, obwohl laut Verfassung nur zwei Amtszeiten möglich sind. Der Westen drängt ihn zum Rücktritt. Doch gibt es Alternativen? Viele Menschen in der DR Kongo wollen gar keine Wahlen! Wir wissen ganz genau, dass die Ergebnisse ohnehin gefälscht werden und die Wahlkampagnen nicht fair verlaufen. Wahlen sind logistisch aufwändig, teuer und leicht manipulierbar. Sie sind im Endeffekt nur herausgeschmissenes Geld. Wir vertrauen nicht unseren gewählten, sondern unseren traditionellen Volksvertretern. Außerdem: Was brauchen wir Demokratie im westlichen Verständnis, solange wir alle in Armut gefangen sind?

Wir brauchen keine Wahlen, solange es keine Straße in unser Dorf gibt, kein Krankenhaus, keine Schulen. Straßen würden mehr Sicherheit herstellen als die 20.000 Blauhelme, denn die Milizen können sich nur einnisten, weil sie unzugängliche Verstecke finden. Nicht zuletzt für die so wichtige wirtschaftliche Entwicklung brauchen wir Infrastruktur. Die hohe Arbeitslosigkeit ist der Hauptgrund, warum junge Männer zur Waffe greifen. Um sie zu demobilisieren, braucht es Perspektiven.

Feindbild FDLR. Viele lokale Milizen existieren zudem, um ihre Gemeinden gegen die FDLR zu verteidigen, die seit 1994 unser Land und die ganze Region destabilisiert. Doch die FDLR zerschlägt man nicht mit südafrikanischen Kampfhubschraubern unter UN-Flagge, sondern indem man ihre zivilen Flüchtlinge nach Ruanda repatriiert und der Miliz damit die Legitimation entzogen wird. Und: Viele politische Führer der FDLR leben im Ausland, in Europa! Um die FDLR zu zerschlagen, müssen die jeweiligen Staaten die FDLR-Kader im Exil verhaften und vor Gericht stellen.

Übersetzung aus dem Französischen: Simone Schlindwein

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